Elterninfo Infekte



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"Mein Kind hat ständig Infekte ...."

Wer kennt nicht diese Situation: Gerade ist man bei den Vorbereitungen für eine kleine Reise, da wird das Kind quengelig und unleidlich. Sie, die Eltern, messen Fieber. Ergebnis: 39 °C. Eine Infektion. Stress, Sorge, Vorstellung in der Kinderarztpraxis, Medikamente ... Irgendwann ist man das leid, wird doch in der Werbung vieles angeboten, was die Probleme lösen soll: Nahrung, Nahrungsergänzungsmittel, abwehrstärkende Medikamente. Muss das alles sein?


Bild: Colourbox

Was sind Infekte? Was ist in welchem Alter normal?

Neugeborene haben zwar von der Mutter einen Antikörper-Schutz gegen Infektionen mit auf die Welt bekommen, den so genannten Nestschutz, der für ein paar Monate anhält, ansonsten aber müssen sie sich mit Erregern aus ihrer Umgebung selbst auseinandersetzen. Fast alle Kinder können das und am Ende dieser „lernenden“ Auseinandersetzung
steht ein Schutz gegen diese Erreger, den Ärzte als „Immunität“ bezeichnen. Natürlich gibt es eine Vielzahl von Erregern (Bakterien, Viren u. a.), mit denen Kinder täglich in Kontakt kommen, so etwa bei Geschwistern, im Kindergarten oder auch in öffentlichen Verkehrsmitteln. Da das Immunsystem durch diesen Kontakt erst „trainiert“ werden muss, kommt es im Kleinkindalter, besonders am Anfang der Kindergartenzeit, zu einer Häufung von Infektionskrankheiten. Immer dann, wenn im Abwehrsystem noch eine Lücke besteht und die „Immunität“ fehlt, kann es zu einer Infektion kommen. Dies ist vollkommen normal und hat durchaus einen positiven Aspekt: Es gibt typische „Kinderkrankheiten“, die man im Leben nur einmal durchmacht und gegen die man danach lebenslang geschützt ist. Impfungen schließen diese Lücke ebenfalls!

Daraus ergibt sich

Einfache Infektionen sind im Kleinkindalter besonders häufig, nehmen aber im Laufe des Lebens ab. Bleibt es dabei, müssen keine besonderen Maßnahmen ergriffen werden.

Wann muss an eine Abwehrstörung, einen „Immundefekt“, gedacht werden?

Es gibt Kinder, deren Körper empfindlicher auf Infektionen reagiert. Bei diesen verlaufen Infektionen dann anders und vielfach sehr schwer.

Die folgende Tabelle hilft bei der Unterscheidung

Eigenschaft der Infektionen

Normal

Krankhaft

Häufigkeit

Max. 8 – 12 leichte Infektionen*/Jahr
bis zum Schuleintritt, danach seltener

Mehr als 12 Infektionen*/Jahr bis
zum Kleinkindesalter und danach

Schweregrad

leicht *

teilweise schwer **

Verlauf

akut

chronisch, viele Rückfälle

Bleibende Schäden

neinja

Rückfall mit demselben Erreger

meist nichtja

Infektionen mit normalerweise
unschädlichen Erregern

neinja

* Leichte Infektionen sind beispielsweise leichte Mittelohrentzündung, Mandelentzündung, Infekt der oberen Luftwege, Magen-Darm-Infektion
** Schwere Infektionen sind z. B. komplizierte Mittelohrentzündung (Mastoiditis), Lungenentzündung, Blutvergiftung, Hirnhaut- oder Gehirnentzündung, tiefe Weichteilinfektion, Knochenmarksentzündung, eitrige Gelenkentzündung, Eiter im Bauch- oder Brustraum, tiefe Eiteransammlungen (Abszesse) in Leber oder Milz

Neben diesen allgemeinen Hinweisen gibt es 12 Warnzeichen für angeborene Immundefekte, die auch für Laien (Kinder und Erwachsene) verständlich sind und über das Internet angefordert werden können: www.dsai.de. Neben diesen angeborenen Störungen gibt es auch erworbene Immundefekte. Hierzu gehören bestimmte chronische Krankheiten (z. B. Organtransplantationen) sowie die Therapie mit starken Medikamenten, die das Immunsystem beeinträchtigen (z. B. Krebstherapie). Man muss aber auch an eine HIV-Infektion denken, die heute bei Kindern in Deutschland extrem selten geworden ist, denn sie wird heute erfreulicherweise praktisch nicht mehr von HIV-infizierten Müttern unter der Geburt auf Kinder übertragen. Und nur sehr selten kommt es bei Jugendlichen zu Übertragungen durch Sexualverkehr.

Ist mein Kind krankhaft infektanfällig?

Eine einfache Diagnostik kann bereits in der Praxis für Kinder- und Jugendmedizin veranlasst werden, so etwa ein Blutbild, ein Blutausstrich und die Bestimmung der Antikörper (Immunglobuline). Wird die Abklärung aber schwieriger, sollte Kontakt zu einem Immundefektzentrum aufgenommen werden, wo zum einen Kinder- und Jugendärzte und -ärztinnen tätig sind, die die mehr als 350 möglichen erblichen Störungen kennen, und wo es auch Laboratorien gibt, die die notwendigen Tests mit der nötigen Zuverlässigkeit durchführen. Zentren findet man bei www.find-id.net oder http://api-ev.eu

Und wenn das Immunsystem normal funktioniert, kann man die Abwehr dann stärken?

Die wichtigste Präventionsmaßnahme sind Impfungen. Sie schützen zuverlässig vor vielen Infektionskrankheiten. Kinder haben ein Recht darauf, vor Erkrankungen geschützt zu werden, gegen die ein nebenwirkungsarmer Impfstoff in Deutschland zugelassen ist und die von der Ständigen Impfkommission beim Robert Koch Institut (STIKO) empfohlen werden.

Was ist von abwehrstärkenden Mitteln zu halten?

Wenn eine angeborene oder erworbene Abwehrschwäche vorliegt, dann gibt es dafür gut überprüfte Therapieverfahren, die von dem/der Kinder- und Jugendarzt/ärztin eingeleitet werden. Darüber hinausgehende Maßnahmen zur Stärkung des Immunsystems, wie sie vielfach in der Werbung angepriesen werden, sind nicht nötig und die meisten sind schlicht wirkungslos. Nur ganz wenige sind tatsächlich seriös geprüft, mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Nur auf solche seriösen Prüfungen kann sich die/der Kinder- und Jugendarzt/ärztin bei der Entscheidung stützen, ob im Einzelfall z. B. so genannte Bakterienlysate oder Ribosomenpräparationen in Betracht kommen. Für alle anderen Produkte inkl. homöopathischer Präparate steht der Nachweis einer klinischen Wirkung aus, oder aber die Unwirksamkeit ist belegt. Informationen, die man im Internet oder in der TV-Werbung zum Thema „Abwehrschwäche“ findet, verfolgen in erster Linie kommerzielle Ziele. Eltern sollten sich nicht von solchen Versprechungen verleiten lassen, da bei einigen dieser Produkte durchaus auch mit Risiken zu rechnen ist: So sind bei bestimmten Phytopharmaka (pflanzlichen Mitteln) Schäden an Herz, Leber, Gehirn und Niere beschrieben. Bei solcher Datenlage muss davor gewarnt werden, die „Therapie“ selbst in die Hand zu nehmen, insbesondere dann, wenn gleichzeitig andere Medikamente genommen werden und/oder chronische Krankheiten vorliegen. Für probiotische Lebensmittel ist eine gewisse Schutzwirkung beschrieben, insbesondere bei Magen-Darm-Infektionen. Auch wenn es dazu ebenfalls kaum wissenschaftlichen Untersuchungen gibt, können Sie die Gesundheit Ihres Kindes durch einfache Maßnahmen unterstützen,

  • indem Sie in der Wohnung und im Auto grundsätzlich nicht rauchen
  • die Wohnung regelmäßig ausreichend lüften und auf Schimmelpilzbefall achten
  • die Raumtemperatur im Schlafraum des Kindes auf 18 °C drosseln
  • täglich für 30 bis 60 Minuten mit Ihrem Kind an die frische Luft gehen und für eine abwechslungsreiche Ernährung sorgen.

Fazit

Ein gesundes Abwehrsystem wächst und reift aus wie andere Organe des kindlichen Organismus. Alles braucht aber seine Zeit, und diese Zeit muss man auch dem Immunsystem lassen. Therapie ist nur bei Erkrankungen notwendig, nicht bei normaler Entwicklung.

IMPRESSUM

Erstellt im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ)

Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Immunologie (API) Prof. Dr. Ansgar Schulz, Ulm, Prof. Dr. Volker Wahn, Berlin, Prof. Dr. Michael Weiß, Köln, Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI), Prof. Dr. Arne Simon, Homburg / Saar, Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Prof. Dr. Reinhard Berner, Dresden in Zusammenarbeit mit dem
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. (BVKJ)
© DGKJ 2018. Titelbild: COLOURBOX

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