Elterninfo Schreibaby



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"Ist mein Kind ein Schreibaby?"

Alle Babys schreien gelegentlich – z. B. wenn die volle Windel sie stört, sie Hunger haben oder wenn sie sich aus anderen Gründen nicht wohl fühlen. Viele junge Säuglinge schreien aber auch ohne erklärbare Ursache und dies besonders häufig in den frühen Abendstunden. Diese Kinder, die ungewöhnlich viel schreien, werden auch als „Schreibabys“ bezeichnet.
Das übermäßige Schreien wird häufig „Dreimonatskolik“ genannt – ein irreführender Begriff, denn nur selten liegen tatsächlich Verdauungsstörungen vor.

Normales Babygeschrei – oder übermäßiges Schreien?

Übermäßiges Schreien („Dreimonatskoliken“, „Schreibaby“) ist gekennzeichnet durch:

  • plötzlich auftretendes Schreien, oft unmittelbar aus scheinbarem Wohlbefinden heraus und ohne erkennbare Ursache,
  • den Beginn dieses Schreiens in der Regel ab einem Alter von ca. 2 Wochen,
  • Zunahme des Schreiens im Tagesverlauf, besonders ausgeprägt spätnachmittags und in der ersten  Nachthälfte,
  • Untröstlichkeit und lange Dauer der Unruhe- und Schreiattacken.

Dabei haben die Kinder häufig zusammengeballte Hände, angezogene Beine, ein gerötetes Gesicht, einen harten Bauch und Blähungen (die vom übermäßigen Schreien und nicht durch Verdauungsprobleme hervorgerufen werden).

Übermäßiges Schreien ist über die Dauer definiert:
Man spricht von einem Schreibaby, wenn Unruhe oder Schreien über mehr als 3 Stunden pro Tag, an mehr als 3 Tagen pro Woche, über mehr als 3 Wochen auftritt. Diese Zeitangaben sollten in der Praxis allerdings nur als grober Richtwert dienen.

Solch ein übermäßiges Schreien ist gar nicht so selten, denn es wird in den ersten drei Monaten bei jedem 8. bis 10. Säugling beobachtet. Erfreulicherweise verschwindet dieses Schreien meist genauso wie es gekommen ist: Bei 2/3 der betroffenen Kinder hört es bis zum 4. Monat auf und nur bei ganz wenigen dauert es auch noch im 6. Monat an.


Was sind die Ursachen?

  • Die genaue Entstehung übermäßigen Schreiens ist nicht bekannt – das Problem ist weltweit und unabhängig von kulturellen oder anderen Gepflogenheiten im Umgang mit Kindern recht weit verbreitet.
  • Das Herumtragen des Kindes (vermehrter Körperkontakt) außerhalb der Schreiattacken hat keinen Einfluss auf die Dauer und Häufigkeit der Schreiattacken.
  • Sie als Eltern sind für das Schreien nicht verantwortlich!
  • Gestillte Kinder und „Flaschenkinder“ sind gleich häufig betroffen.
  • Säuglinge aus Haushalten, in denen geraucht wird, sind häufiger Schreibabys.
  • Die meisten Schreibabys sind gesund und haben später nicht öfter Allergien oder Erkrankungen als andere Kinder.
  • Nur bei wenigen Säuglingen ist eine Milchunverträglichkeit, ein Säurereflux (Sodbrennen) oder eine andere Erkrankung Ursache des übermäßigen Schreiens.

Hilfe bei einer/m Kinder- und Jugendärztin/-arzt sollten Sie suchen, wenn

- Ihr Kind nicht mehr an Gewicht zunimmt, es nicht trinken mag, es viel spuckt und dabei Schmerzäußerungen zeigt oder vermehrt den Rücken überstreckt,
- Sie sich hilflos, erschöpft oder überfordert fühlen,
- Sie merken, dass das Schreien Sie so wütend und verzweifelt macht, dass Sie Sorge haben, sich nicht mehr kontrollieren zu können.
  • Beruhigungsmaßnahmen wie eine Spazierfahrt im Kinderwagen, ein warmes Bad, eine Bauchmassage, ein sanftes Schaukeln in einer Wiege etc.
  • Anbieten eines Beruhigungssaugers.
  • Bei manchen Kindern hilft es, die Fütterungstechnik zu verändern, z. B. das Kind während des Trinkens besonders häufig aufstoßen lassen.
  • Bei stillenden Müttern ist eine Ernährungsumstellung meist nicht hilfreich. Nach Rücksprache mit Ihrer/m Kinder- und Jugendärztin/-arzt kann ein Versuch mit der Gabe von Lactobazillus Reuteri, einem Probiotikum, gemacht werden.
  • Bei Flaschenfütterung sollte eine probeweise Nahrungsumstellung nur nach Rücksprache mit der/m Kinder- und Jugendärztin/-arzt erfolgen.
  • Geben Sie keine Medikamente! Verschiedene Medikamente wurden bei Schreikindern eingesetzt – ohne nachweislichen Erfolg, aber mit zum Teil erheblichen Nebenwirkungen.
  • Sorgen Sie für eine komplett rauchfreie Umgebung.
  • Wichtig ist, dass Sie Ihrem Kind Ruhe und Geborgenheit vermitteln.

Wenn Sie aber merken, dass Sie am Ende Ihrer Kräfte sind und die Belastung nicht länger aushalten können:

Bedenken Sie immer, dass Sie am Schreien des Kindes nicht schuld sind.

Wenden Sie sich an Ihre/n Kinder- und Jugendärztin/-arzt.

Holen Sie sich Hilfe des/der Partner/-in, von Freunden und Familie oder auch bei anderen betroffenen Eltern (Selbsthilfegruppen).

Schaffen Sie sich Freiräume und versuchen Sie, selbst zur Ruhe zu kommen: Sie müssen sich erholen.

Auf keinen Fall dürfen Sie Ihr Kind schütteln oder schlagen!
Durch solche unkontrollierten Handlungen können Sie Ihr Baby lebensgefährlich verletzen!

Schreibabys sind oft sehr empfindlich gegenüber zu vielen Eindrücken, Anregung und Unruhe: Schaffen Sie einen ruhigen, geregelten Tagesablauf!

Versuchen Sie die Bedürfnisse des Kindes zu erkennen:

Hat es Hunger? Ist seine Windel voll? Braucht es Ruhe?
Wenn Ihr Kind unruhig wird oder schreit, klopfen Sie ihm nicht auf den Rücken, vermeiden Sie unruhige, rasche Bewegungen, laute Musik und lärmende Spielgeräte. Smartphones sind in den ersten Lebensjahren nicht zur Beruhigung geeignet.
Wenn Sie es schaukeln, dann ruhig und langsam.
Springen Sie nicht immer sofort auf, wenn Ihr Kind schreit, besonders wenn es die Zeit des Einschlafens ist!
Nehmen Sie Ihren Säugling nicht in Ihr Bett. Legen Sie sich nicht zu Ihrem Säugling, um ihn damit beim Einschlafen zu unterstützen. Sie können dem Baby helfen, das Einschlafen im eigenen Bettchen zu lernen: Versuchen Sie schon früh, feste Abendrituale zu schaffen (beruhigende Worte, ein Lied). Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie gern in Ihrer Kinderarztpraxis nach!
Manchmal ist es hilfreich, wenn das Kinderzimmer nicht total dunkel ist und Ihr Kind Sie noch im benachbarten Raum sprechen hört.
Bleiben Sie gelassen und ausgeglichen, auch wenn es schwer fällt!

Wenn das Kind länger als 3 Monate schreit …

Kinder entwickeln sich unterschiedlich. Meist hört das Schreien bis zum 4. Monat auf – aber nicht immer. Zunächst ist immer Geduld angesagt.

Wenn aber ...
Schlafstörungen hinzukommen, das Füttern ein Problem wird, mit 6 Monaten das Schreien nicht vorbei oder deutlich besser ist, dann sollten Sie in jedem Fall unverzügliche kinderärztliche Hilfe in einer Praxis und bei besonderer Not auch in einer Kinderklinik (tags und nachts zu erreichen) suchen oder eine Beratung bei Einrichtungen, die besondere Erfahrungen im Umgang mit Schreibabys haben, nutzen.

INTERNET ADRESSEN – BERATUNGSSTELLEN

„Trostreich – Interaktives Netzwerk Schreibabys“ bietet betroffenen Eltern Tipps und Kontaktadressen unter www.trostreich.de

Die Gesellschaft für seelische Gesundheit in der frühen Kindheit e. V. veröffentlicht auf ihrer Homepage ebenfalls Adressen von Beratungsstellen sowie weitere Informationen. www.gaimh.de

Das Nationale Zentrum Frühe Hilfen bietet (werdenden) Eltern ein umfangreiches Online-Angebot und nennt auch Beratungsstellen. www.elternsein.info

 

IMPRESSUM

Erstellt im Auftrag der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e. V. (DGKJ)

von der
Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie und Ernährung e.V. (GPGE)
Dr. Martin Claßen, Bremen, Prof. Dr. Sibylle Koletzko, München
mit der
Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ)
Prof. Dr. Rüdiger von Kries, München, Prof. Dr. Ute Thyen, Lübeck
in Zusammenarbeit mit dem
Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e.V. (BVKJ)

© DGKJ 2019. Titelbild: COLOURBOX

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